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OFENTSE PITSE

  • Geboren
    1 Juli 1992
  • Heimat
    Südafrika
  • Beruf
    Dirigentin
Ofentse Pitse überwindet in der Welt der Musik Grenzen, indem sie ihr eigenes Orchester gründet und die erste schwarze Dirigentin Südafrikas wird.

Interviewer: Was hat dich angetrieben, Dirigentin zu werden?

 

Ofentse:

Zum Dirigieren kam ich, als ich 12 Jahre alt war und in die Gemeinde der Heilsarmee ging. Ich spielte Trompete, weil ich diese Typen in der Kirche gesehen hatte, die dieses Blechblasinstrument spielten, und ich wollte dazugehören.

Meine Mutter brachte mich samstags zur Kirche, und ich lernte, wie man die C-Tonleiter spielt. Ich habe einfach eine Vorliebe für klassische Musik. Daraus entwickelte sich dann meine Liebe zum Orchester und zur Chormusik. Und schließlich wollte ich Dirigentin werden. Es war eine ganz logische Entwicklung.

 

Interviewer: Wie schön. Ich habe in einem Interview gelesen, dass du zuerst Architektur studiert hast.

 

Ofentse:

Genau. Eigentlich bin ich Architektin. Ganz offiziell.

 

Interviewer: Und was hat dich dazu veranlasst, einen anderen Weg einzuschlagen? Hat die Architektur noch eine Bedeutung für dich? Findest du dort Inspiration?

 

Ofentse:

Auf jeden Fall. Architektur und Musik haben nämlich viel gemeinsam. Es gibt Technik, Balance und Struktur, genau wie in der klassischen Musik. Der Übergang erfolgte also schrittweise, denn alles, was ich im Studium lernte, konnte ich in der Musik anwenden.

Sogar meine Herangehensweise an eine Partitur. Ich suche immer einen Ein- und Ausgang. Welcher Raum in der Musik ist am komfortabelsten? Wo kommt das Licht hinein? Wo kommt die Luft hinein? Die Zirkulation? Ich betrachte eine Partitur wie eine Blaupause, einen Grundriss. Das macht eine Neuinterpretation so spannend, ruhig und klassisch.

Es ist ein künstlerischer, architektonischer Ansatz, aber das ist meine Art, die Musik aufzubauen. Indem ich sie als Struktur betrachte.

 

Interviewer: Das ist eine hervorragende spontane Antwort. Wie fühlt es sich an, auf den größten Bühnen Südafrikas zu dirigieren?

 

Ofentse:

Das ist wirklich ganz interessant, denn ich bin ein bisschen rebellisch, was meine Herangehensweise an die Musik angeht, und wollte nicht wie andere klassische Dirigenten sein. Ich wollte den Rahmen sprengen und die Grenzen ein wenig überschreiten. Und das merkt man meiner Arbeit an. Ich mache Orchestermusik, aber ich arbeite auch mit Mainstream-Künstlern.

In meiner ersten Show stellte ich die Afro-Jazz-Künstlerin Judith Suprema vor, und dann beschäftigte ich mich mit der Orchesterarbeit für Tschaikowsky. Aber wie passt das mit Jazz zusammen?Die Musik ist tatsächlich sehr jazzlastig. Das war eine interessante Herausforderung. Und daraus ergab sich schon meine nächste Herausforderung. Ich bin nicht so sehr in der Welt des Theaters zu Hause.

Ich beschäftige mich mit anderen Themen: Wie können wir Hip-Hop oder Künstlerinnen wie Beyoncé mit einem Orchester zusammenbringen? Wie kann man Jazz und Orchestermusik verknüpfen? Wie kann man Marken mit einem Orchester kombinieren? Das ist das Interessante an der Gegenüberstellung der klassischen oder musikalischen Welt mit dem Bereich der Kunst. Es bleibt immer spannend. Es ist, als hätte ich ganz viele Legoteile. Ich verbinde verschiedene Dinge miteinander.

 

Interviewer: Warum hast du Sibelius für den heutigen Tag ausgewählt?

 

Ofentse:

Ich habe mich hauptsächlich wegen der Hymne „Be still, my soul, the Lord is on my side“ für Sibelius entschieden. Diese Hymne hörte ich als Kind in der Kirche. Als ich Sibelius zum ersten Mal hörte, wollte ich wissen, wer das ist. Welches Orchester spielt da? Und dann habe ich herausgefunden, dass er in Finnland eine große Bedeutung hat.

Zum Jahreswechsel wird dieses Lied gespielt oder gehört, und zwar jedes Jahr. Es ist also sehr patriotisch. Ich wollte etwas, in das ich mein Herz einbringen konnte, um meine Hände zu akzentuieren, um Gefühl in die verschiedenen Bewegungen und Themen des Songs zu bringen. Wegen dieser Hymne liebe ich Sibelius.

 

Interviewer: Wie sieht dein Alltag als Dirigentin aus?

 

Ofentse:

Mein Alltag? Ich wache um fünf Uhr auf, gehe laufen, komme nach Hause, höre Musik auf Spotify. Klingt nicht sehr klassisch, oder? Und dann starte ich entspannt in den Tag. Die meiste Zeit beschäftige ich mich mit Architektur. Aber in jüngster Zeit arbeite ich auch viel mit Musik. Ich habe mich mit Orchestrierung und Arrangements beschäftigt, also suche ich ständig nach neuen Ideen, wie man verschiedene Wörter zusammensetzen kann.

Irgendwann mache ich ein kleines Nickerchen, wache auf und mache weiter. Ich bin beim Arbeiten sehr fokussiert, besonders bei der Musik. Ich blende alles andere aus, bis ich fertig bin. Als Dirigentin stehe ich ständig unter Strom. Ich kann meinen Geist nicht ausschalten. Ich denke immer schon über die nächste großartige Idee nach. Manchmal muss ich mich dazu zwingen, schlafen zu gehen, weil ich gar nicht aufhören will.

 

Interviewer: Das ist sehr interessant. Ich sehe viele Parallelen zu meinem Beruf, auch im kreativen Bereich. Wenn man seine eigene Welt erschafft, zum Beispiel.

 

Ofentse

Ja. Man lebt darin. Man will darin leben.

 

Interviewer: Was sind deine bisherigen Karriere-Highlights?

 

Ofentse:

Die Höhepunkte meiner Karriere bestehen darin, unbekannte Bereiche zu erschließen. Bei meinem ersten Konzert trat ich zusammen mit einer Afro-Jazz-Künstlerin auf. Sie ist die Königin des Afro-Jazz in Südafrika. Das war meine erste Show. Und danach hatte ich eine Veranstaltung mit der Champagnermarke Veuve Clicquot. Letztes Jahr hat man mich gebeten, eine Rede zu halten und anschließend einen Überraschungsauftritt mit einem Orchester zu geben.

Also veranstalteten wir einen Flashmob. Das Publikum wusste nicht, dass ein Orchester da war. Dann kamen die Musiker aus allen Ecken, und wir spielten das Lied von Veuve Clicquot. Ich habe auch mit einem Afro-Tech-House-Musiker zusammengearbeitet. Ich trug ein Gothic-Outfit und tanzte zur Musik. Ich bin richtig mitgegangen.

 

Es gab also schon einige Highlights, besonders im letzten Jahr. Vor Kurzem habe ich eine Veranstaltung mit der Unternehmensmarke Bidvest durchgeführt. Wir hatten ein afrikanisches Orchester. Die Show sollte von Coachella inspiriert sein. Wir sahen uns Beyoncés Auftritt in Coachella an und überlegten uns, wie wir das für das afrikanische Publikum umsetzen könnten. Mit dem Chor, den Djun-Djun-Trommeln, den Swaz-Trommeln – einer ganzen afrikanischen Rhythmusgruppe.

 

Das war wirklich aufregend, denn sie spielten aus dem Stegreif und schauten nicht einmal auf die Noten. Das war eine Herausforderung, aber wirklich spannend. Das war ein Highlight für mich.

 

Interviewer: Aufregend. Wir sollten einen Toyota Titelsong kreieren.

 

Ofentse:

Das wäre toll. Das würde ich gerne machen. Schnelles Tempo, hohe Geschwindigkeit, du weißt schon, wie im Rennsport, besonders im Hinblick auf das Auto, für das wir diese Woche drehen. Ich hätte es gerne mit nach Hause genommen. Ich würde liebend gern den Titelsong kreieren.

 

Interviewer: Fantastisch. Das klingt toll. Gab es auch schwierige Momente und möchtest du uns davon erzählen?

 

Ofentse:

Die gab es. Es gibt nicht viele Dirigentinnen, die aussehen wie ich. Ich bin jung. Ich bin eine Frau. Ich bin Schwarz. Als ich mich anfangs an verschiedene Dirigenten in Südafrika wandte und um Unterstützung bat, sagten die meisten von ihnen einfach nein. Das war sehr, sehr traurig, bis ich Corbin Goodson fand, der mich unter seine Fittiche nahm und mir alles beibrachte, was er weiß. Ein wichtiges Thema sind aber auch die Zugangsmöglichkeiten.

Es ist schwer, in diesem Bereich Zugang zu finden, da er immer noch sehr stark von Männern dominiert wird. Es war also oft schwierig, meine eigenen großen Shows mit meinem gesamten Orchester und meinem gesamten Chor zu veranstalten. Und dann gab es Versprechen von Marken, die nicht eingehalten wurden, als es darauf ankam.

 

Einige Dinge liefen nicht so gut, aber das lag an den fehlenden Zugangsmöglichkeiten. Denn ja, es gibt nicht viele Dirigentinnen, die aussehen wie ich. Die Leute fragen sich, ob ich gut genug bin. Zugang zu haben war also ein großes Problem im Laufe meiner Karriere.

 

Ich bin eine junge, Schwarze Frau, die in Südafrika lebt. In einer männlich dominierten Branche. Ich wollte einen Schritt weiter gehen als die Norm, als der Status quo, als das, was die Leute erwarteten, also schuf ich meine eigene Welt. Ich habe Erlebnisse konzipiert, an denen andere junge Menschen teilhaben können. Und diese jungen Leute sind auch die Leute, die ich in meinem Orchester haben will. Indem wir sind, was wir sind, und indem wir machen, was wir machen, überschreiten wir immer Grenzen.

 

Interviewer: Die nächste Frage hast du schon beantwortet. Wie konntest du diese Schwierigkeiten überwinden? Vielleicht kannst du das noch etwas weiter ausführen. Was war die wichtigste Lektion, die du in deiner Karriere bisher gelernt hast? Gibt es einen Aspekt, der besonders hervorsticht?

 

Ofentse:

Den gibt es. In meiner Karriere, besonders als Dirigentin, habe ich gelernt, wie viele Menschen deine Instagram-Beiträge liken. Man muss üben und gut sein in dem, was man tut. Es ist nicht wichtig, wie viele Follower man hat, sondern was man getan hat. Das habe ich gelernt. Und das führt dazu, dass ich mich nicht mehr nur als Frau betrachte. Ich möchte zu den besten Dirigentinnen und Dirigenten der Welt gehören, und zwar unabhängig von meinem Geschlecht.

 

Interviewer: In meinen Augen bist du eine Protagonistin. Du glaubst, dass du immer weiter über dich hinauswachsen kannst. Und man muss Grenzen überschreiten, wenn man erreichen will, was du erreicht hast.

 

Ofentse

Vielen Dank.

 

Interviewer: Was steht als Nächstes an? Was bedeutet Erfolg in deinem Bereich für dich? Jetzt, wo du so weit gekommen bist?

 

Ofentse:

Erfolg bedeutet Zusammenarbeit. Ich arbeite gerne mit Leuten zusammen, die man normalerweise nicht in einem Orchester sieht. Deshalb wollte ich auch unbedingt bei dieser Kampagne mitwirken. Es geht nicht darum, im Smoking oder im italienischen Maßanzug eine ganze Ouvertüre aufzuführen. Es geht darum, das Herz des Publikums mit orchestraler Musik anzusprechen, die für mich immer eine Herzenssache sein wird, mich weiterbringt und antreibt. Diese Richtung ist für mich also die richtige. Die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten und Leuten, die auch gerne Grenzen überschreiten und alle Erwartungen übertreffen. Oh, und das Sydney Opera House.

 

Interviewer: Ist das schon offiziell?

 

Ofentse

Nein. Sorgen wir dafür, dass es das wird.

 

Interviewer: Okay. Das könnte klappen.

 

Ofentse:

Ihr könntet das hinter den Kulissen erledigen. Ihr könnt das übernehmen. Stell dir das mal vor, der Blick auf die Küste, die Architektur der Stadt und dann diese Akustik. Das wäre magisch. Und dann in afrikanischer Kleidung, afrikanischen Gewändern, vielleicht sogar mit afrikanischen Werken. Aber das Sydney Opera House steht auf jeden Fall weit oben auf meiner Liste.

 

Interviewer: Kommen hier deine Architektur- und Orchesterträume zusammen?

 

Ofentse:

Genau. Ja. Das stimmt. Siehst du, wie das Ganze zusammenkommt? Es ist nicht weit hergeholt.

 

Interviewer: Hast du einen Rat für die Leser dieses Interviews, wie sie ihre Bestleistung erzielen können? Was bedeutet es für dich, Grenzen zu überwinden?

 

Ofentse:

Das ist eine wichtige Frage. Eine gute Vorbereitung ist eine wichtige Grundlage. Bei der Vorbereitung verstehe ich keinen Spaß. Selbst bei dem Stück heute. Ich sorge dafür, dass ich mich richtig vorbereite. Normalerweise dirigieren Dirigenten mit Blick auf die Partitur und blättern die Seiten um. Aber wenn man sich mit dem Herzen der Musik verbindet, braucht man die Partitur nicht mehr, oder?

Es gab Stellen, an denen ich nicht einmal wusste, wo ich war, aber weil ich den Puls des Orchesters und auch des Publikums spüren konnte, obwohl ich mit dem Rücken zu ihnen stand, merkte ich, dass dort hinten eine gewisse Aufregung und ein bestimmter Takt herrschte, genau wie bei den Leuten, die vor mir standen. Wenn man vorbereitet ist, kommt man immer in die richtigen Räume.

 

Interviewer: Sehr interessant. Wenn man so gut vorbereitet ist, gerät man wohl in eine Art Flow-Zustand. Dann bemerkt man viel mehr Dinge um sich herum. Hast du ein Motto, nach dem du lebst oder das dich motiviert?

 

Ofentse

Mein Motto besteht aus drei Worten: Vision. Bestimmung. Und Vermächtnis.

 

Interviewer: Fantastisch. Das ist toll. Welche Pläne hast du für die Zukunft?

 

Ofentse:

Sydney Opera House. Carnegie Hall. Und vielleicht mache ich danach etwas im Ballett oder arbeite als Dirigentin für Beyoncé. Ich weiß nicht! Ich habe viele Möglichkeiten, die vor mir liegen, denn ich bin immer vorbereitet. Ich vertraue darauf, dass ich gut genug bin – oder sogar besser als das. Dann werden sich diese Möglichkeiten auch eröffnen. Ich bin immer auf die nächste große Chance vorbereitet. Ich möchte aber auf jeden Fall mein eigenes Werk veröffentlichen und dann einige Shows veranstalten, sei es im Theater oder in anderen Räumen. Ich arbeite gerne mit anderen Künstlern zusammen. Das ist mein Plan.

 

Interviewer: Ja. Das ist toll. In der Kampagne geht es darum, dass jeder Schritt zählt. Welche Schritte zählen für dich, was treibt dich an?

 

Ofentse:

Jede Vision zählt, jede Probe zählt, jeder Applaus zählt, jede Intention zählt, jedes Mitglied zählt, jede Partitur zählt.

 

    - ENDE -

SAMIR AÏT SAÏD

  • Geboren
    1 November 1989
  • Heimat
    Frankreich
  • Beruf
    Olympischer Turner
Der französische Kunstturner Samir Aït Saïd wächst nach seiner schweren Verletzung bei den Olympischen Spielen in Rio über sich hinaus und kämpft unablässig um den Europameistertitel.

Interviewer: Was war dein Antrieb, der dich zum Trampolinsport geführt hat?

 

 

Samir:

Als Kind hatte ich immer viel Energie. Ich rannte und sprang überall herum und war in der Schule ein absoluter Albtraum. Deswegen fand mein Vater, dass ich Sport machen sollte.

Zum Beispiel Judo. Aber in der Schule habe ich geturnt. Das hieß für mich Trampolinspringen. Für mich ging es beim Turnen immer um das Trampolinspringen.

Also sagte ich zu meinem Vater: „Das ist nicht das, was ich möchte. Ich möchte in den Trampolinsport.“ Ich war in der Schule schon in genug Kämpfe verwickelt. Das war nicht so toll.

Ich dachte wirklich, beim Turnen gibt es nur das Trampolin. Und so fing ich damit an.

 

Interviewer: Wie fühlt es sich an, sein Programm bei den Olympischen Spielen zu zeigen?

 

Samir:

Es ist ein stolzer Moment. Man ist stolz, weil man so hart gearbeitet hat, um zu den Olympischen Spielen zu kommen und dann sagen zu können, dass man sein Land bei den Spielen vertritt. Das ist einfach unglaublich. Es ist unbeschreiblich. Es ist großartig.

Ich bin auch sehr patriotisch. Ich bin stolz darauf, mein Land zu repräsentieren. Bei einem Wettbewerb wie den Olympischen Spielen dabei zu sein, ist eine große Ehre. Man konzentriert sich so sehr auf das Programm und darauf, sich nicht ablenken zu lassen, damit man die bestmögliche Leistung erbringen kann.

Und danach ist man voller Freude. Man darf sich nicht stressen lassen, man muss versuchen, das Adrenalin in positiven Stress umzuwandeln. Das ist ein guter Antrieb.

 

Interviewer: Wie sieht dein Alltag aus?

 

Samir:

Mein Alltag? Lustigerweise entscheide ich oft nicht selbst, wann ich aufstehe – sondern meine Tochter. Manchmal habe ich einen harten Tag beim Training und denke: „Ich muss schlafen. Ich schlafe morgen ein bisschen länger, damit ich fürs Training in Form bin.“ Aber Madame hat andere Pläne!

Sie ist der Boss. Wenn sie entscheidet, dass ihr Vater um sechs statt um acht Uhr aufsteht, dann ist das so. Dann bringe ich sie normalerweise in die Kita. Danach geht es zum Konditionstraining.

Dann gehe ich nach Hause und esse. Wenn möglich, schlafe ich ein wenig und tanke neue Energie. Dann geht es zurück zum Training, wobei der Schwerpunkt diesmal eher auf der Technik als auf der Kondition liegt. Ich nutze die Geräte, vor allem die Ringe.

Und sobald wir fertig sind, hole ich das kleine Monster wieder von der Kita ab und fahre nach Hause. Wenn ich kleinere Verletzungen habe, gibt es auch mal eine Physiotherapiesitzung. Und so laufen meine Tage ab.

 

Interviewer: Was sind einige deiner Karriere-Highlights?

 

Samir:

Das erste war 2012. Die Juniorentitel und die Europameisterschaften, die ich bei den Junioren gewonnen habe, zähle ich nicht dazu. Ich werde nur über meine Highlights bei den Profis sprechen.

 

Ein Ereignis, das mich wirklich getroffen hat, war, als ich mir kurz vor der Abreise zu den Olympischen Spielen in London das Knie brach und operiert werden musste. Viele sagten, dass es schwer sein werde, sich davon zu erholen. Es werde sehr, sehr schwer werden.

Ich musste mich direkt nach den Spielen für die Europameisterschaften qualifizieren. Die Olympischen Spiele waren für mich natürlich gelaufen. Ich wollte unbedingt zurückkommen, und zwar mit voller Kraft.

Im April fanden die Europameisterschaften in Moskau statt. Alle sagten: „Hey, Samir. Du bist noch nicht soweit. Es ist zu früh. Das ist nicht möglich.“ Aber ich sagte ihnen, dass ich es schaffen würde.

Also arbeitete ich hart, schaffte es, mich zu qualifizieren, nahm an den Europameisterschaften in Moskau teil und wurde Europameister. Das war ein unglaublich persönlicher Sieg.

 

Das zweite Highlight ist noch nicht so lange her.

Leider haben wir uns als Team nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert. Wir waren bei den Weltmeisterschaften 2019 in Stuttgart. Das war eine Qualifikationsveranstaltung für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Leider haben wir uns nicht qualifiziert, sodass meine einzige Möglichkeit, einen Platz in Tokio zu bekommen, darin bestand, bei den Weltmeisterschaften eine Medaille zu gewinnen. Ich beobachtete also die anderen vor mir, die ihre beeindruckenden Programme zeigten. Und der dritte und letzte, der direkt vor mir dran war, war der amtierende Olympiasieger.

 

Er ist also dran, zeigt eine überzeugende Leistung und landet damit auf dem dritten Platz. Das heißt also, ich kann mich nur qualifizieren, wenn ich den amtierenden Olympiasieger schlage. Ich war voller Adrenalin, spürte den Druck und sagte zu mir: „Das ist dein Moment. Du musst ihn nur nutzen.“ Und das tat ich. Ich schlug den Olympiasieger, gewann die Medaille und konnte bei den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen.

 

Das war ein wichtiger Moment für mich und meine Karriere. Ich habe enormen Respekt vor ihm, dem Griechen. Er ist ein Freund von mir. Aber am Ende ging es darum, wer von uns beiden zu Olympia konnte. Das war ein wirklich großartiger Moment, und ich bin ihm dankbar für diese Herausforderung.

 

 

Interviewer: Was war dein schwierigster Moment und wie hast du ihn bewältigt?

 

 

Samir:

Da gab es einige. Und einige konnte ich auch nicht überwinden oder es fiel mir schwer, sie zu überwinden. Nach den Olympischen Spielen in Rio verlor ich meinen Vater. Das war der schwerste Moment meines Lebens. Es hat nichts mit dem Sport zu tun, aber es war wirklich schwer. Kann man über so etwas überhaupt hinwegkommen? Ich weiß es nicht, aber ich musste lernen, damit zu leben. Ich mache weiter, und ich kämpfe in gewisser Weise auch für ihn, denn ich habe versprochen, mir diese Medaille zu holen.

 

Das war also der erste große Schlag in meinem Leben, zumindest als Erwachsener. Aber ich kämpfe weiter und tue alles, was ich kann, um ihn zu ehren. Den nächsten hat jeder gesehen, glaube ich. Das war bei den Olympischen Spielen, wo ich mich so schwer verletzte, dass ich keine Medaille gewinnen konnte.

 

Interviewer: Wie hast du das bewältigt?

 

Samir:

Man muss an sich glauben und darf nicht aufgeben. Und so ist mein Charakter.

Das hat mir mein Vater beigebracht, und ich werde niemals aufgeben.

Ich werde mir die Medaille holen, koste es, was es wolle – für ihn, für mich, für meine Familie und für alle, die an mich glauben. Ich muss dafür kämpfen.

Man darf sich nicht von ein paar schwierigen Momenten entmutigen lassen.

Natürlich ist das nicht immer einfach und manchmal fragt man sich, ob man es nicht doch sein lassen sollte. Das wäre vielleicht einfacher.

Aber warum sollte man aufgeben? Wäre das wirklich einfacher? Man würde sich noch immer schlecht fühlen. Man würde sich selbst nicht vergeben. Warum also aufgeben?

Wären die Menschen, die man verloren hat, oder die Menschen, die an einen glauben, glücklich, wenn man aufgeben würde? Nein. Ich bin sicher, sie würden sagen: „Kämpfe. Kämpfe weiter bis zum Schluss. Bis zu deinem letzten Atemzug, mit deinem letzten Quäntchen Kraft.“

Und ich werde um jeden Preis kämpfen, sowohl im Berufsleben als auch für meine Familie. So bin ich einfach. Ich werde immer für das kämpfen, woran ich glaube, für das, was mir wichtig ist, und für die Menschen, die ich liebe.

 

Interviewer: Was ist die wichtigste Lektion, die du in deiner Karriere bisher gelernt hast?

 

Samir:

Das hat mit dem zu tun, was ich bereits gesagt habe. Manchmal glauben andere nicht an einen.

Das Wichtigste ist aber, dass man an sich selbst glaubt. Man muss für sich selbst kämpfen und seine Ziele erreichen.

Wie ich bereits sagte, glaubten einige Leute nicht, dass ich Erfolg haben würde.

Wenn es einem an Selbstvertrauen mangelt, glaubt man das auch selbst. „Du wirst es nicht schaffen. Sie haben gesagt, ich kann das nicht. Vielleicht haben sie recht. Und es ist auch schwierig. Ich gebe einfach auf.“

Auf keinen Fall. Darum geht es für mich.

Habe Vertrauen, kämpfe weiter. Denn wenn du selbst nicht an dich glaubst, wer dann?

 

Interviewer: Was bedeutet Erfolg für dich?

 

Samir:

Erfolg? Dabei geht es um Dankbarkeit.

Erfolg ist, wenn man in einem Wettbewerb gut abschneidet, eine Medaille holt und dann loslassen kann. Man muss den Moment genießen können, so wie er ist.

Du hast deine Medaille bekommen, das ist großartig, also kannst du dich ein bisschen entspannen, bis zu deinem nächsten Ziel.

Am Ende des Tages ist es nur Sport. Aber ja, ich finde es wichtig, Spaß dabei zu haben.

Das Beste daraus zu machen. Das gilt für uns alle. Erfolg ist …

Ich zumindest feiere meinen Erfolg gerne mit den Menschen um mich herum, mit meinen Lieben und denen, die an mich glauben, mit meinen Trainern, meinen Ausbildern, meinen Partnern.

All diese Faktoren haben mir dabei geholfen, stärker zu werden und dem Erfolg näher zu kommen.

Das ging nur mit einem Team.

 

Interviewer: Hast du einen Rat für die Leser dieses Interviews, wie sie ihre Bestleistung erzielen können?

 

Samir

Ja. Ich wiederhole mich, aber auch hier gilt, dass man an sich selbst glauben sollte. Glaube an dich selbst, kämpfe, gib dein Bestes.

Wenn du dein Ziel nicht erreichst, liegt es nicht daran, dass es zu schwer ist. Was ich damit sagen will: Nur weil es beim ersten Mal nicht geklappt hat, heißt das nicht, dass man es am Ende nicht schaffen wird.

Es gibt ein Sprichwort über einen Löwen. Er scheitert immer wieder. Ich weiß nicht, bei wie vielen Versuchen. Sagen wir bei 80 %. Er versagt zu 80 %, wenn er auf der Jagd nach seiner Beute ist.

Warum ist er trotzdem der König der Tiere? Er ist ausdauernd. Das gefällt mir.

Der Löwe versucht seine Beute zu fangen und scheitert, scheitert, scheitert, scheitert. Aber er gibt nicht auf, bis er sie hat.

Und so geht es mir mit der Olympischen Medaille. Das ist die Verbindung zum Löwen.

 

Interviewer: Was ist dein Lebensmotto?

 

Samir:

Mein Lebensmotto? Wie ich bereits sagte: niemals aufzugeben.

Selbst wenn man scheitert, darf man nicht aufgeben.

 

Interviewer: Was bedeutet es für dich, Grenzen zu überschreiten?

 

Samir:

Es bedeutet, hart zu arbeiten. Sich anzustrengen. Und keine Angst davor zu haben. Auch wenn man manchmal unsicher ist.

Wie sollte man dann reagieren? Macht man trotzdem weiter oder gibt man auf?

Das bedeutet es für mich, Grenzen zu überschreiten.

Das hängt mit meiner Beinverletzung zusammen. Ich habe mir bei einem Unfall beim Springen das Bein gebrochen.

Und natürlich hatte ich Angst. Ich dachte: „Mein Bein ist gebrochen. Ich kann nicht weitermachen, denn es wird wehtun.“ Was mache ich dann? Höre ich auf?

Nein. Und das bedeutet es für mich. Ich hatte Angst, aber ich machte es trotzdem. Ich stellte mich meinen Ängsten und Zweifeln. Nur so kann man vorankommen. So sehe ich es jedenfalls.

 

Interviewer: Welche drei wichtigen Faktoren haben dir dabei geholfen, Grenzen zu überwinden?

 

Samir:

Der erste ist meine Familie.

Jeder Moment mit meiner Familie bedeutet mir sehr viel.

Meine kleine Tochter gibt mir so viel Kraft. Wenn ich nicht bei ihr bin, rufe ich sie entweder an oder sehe mir Fotos von ihr an.

Und das bedeutet mir viel, denn es gibt mir Energie.

Jeder Augenblick, den ich mit dem Training verbringe, bedeutet mir ebenfalls viel, denn es bedeutet, dass ich vorankomme, stärker werde und mehr Erfahrungen sammle.

Und auch jedes Scheitern hilft mir dabei, mich zu verbessern. Jedes Mal, wenn ich verliere. Jedes Mal, wenn ich falle. Ich werde stärker, denn ich will weitermachen.

Also Familie, Training und Scheitern.

Jeder Moment mit meiner Familie zählt. Jede Trainingssekunde zählt. Jede Niederlage, jedes Scheitern, jeder Sturz – all das zählt.

 

Interviewer: Was wird dein nächster Meilenstein sein?

 

Samir:

Das nächste große Ereignis ist die Weltmeisterschaft, die eine Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris ist.

Das ist im Oktober in Belgien, und da muss ich mich dann für die Olympischen Spiele qualifizieren. Hier darf ich nicht versagen.

 

Interviewer: Wenn ein großes Ereignis bevorsteht, was sind die kleinen Dinge, die dir das Gefühl geben, bereit zu sein?

 

Samir:

Ich glaube, ich fühle mich nie bereit. Und dieses Gefühl sagt einem, dass man es tief im Inneren doch ist.

Wenn man weiß, dass man alles gegeben und hart gearbeitet hat, um vorbereitet zu sein und sein Bestes zu geben, und wenn man zum Wettbewerb kommt und sich fragt: „Bin ich wirklich bereit?“, dann weiß man tief im Inneren, dass man es wirklich ist.

Ich denke, dann ist man wirklich bereit, weil man sich nicht zu ruhig fühlt und sich nicht sagt: „Ich habe alles getan, was ich konnte.“ Ja, man hat hart gearbeitet, aber man fragt sich trotzdem: „Habe ich vielleicht etwas vergessen?“ Weißt du, was ich meine?

Und wenn man diese Phase erreicht hat, ist man wirklich bereit. Danach sorgt nur noch das Adrenalin dafür, dass man Zweifel hat.

 

Interviewer: Welche kleinen Erfolge haben dein Selbstvertrauen gestärkt?

 

Samir:

Ein kleiner Erfolg, der mir Selbstvertrauen gab, war, als ich wieder ohne Krücken gehen konnte.

Ich fühlte mich wie ein Kind, das seine ersten Schritte macht. Kinder machen ihre ersten Schritte, fallen hin und sind überglücklich! So ging es mir auch.

Als ich nach der Operation die Krücken los war, war ich so glücklich. Ich fühlte mich fantastisch. Ich fühlte mich groß. Ich fühlte mich erwachsen.

Ich wollte allen zeigen, dass ich ohne Krücken laufen kann. Das war mein kleiner Erfolg. Ich erinnere mich Jahre später noch daran. Es hat also Eindruck hinterlassen.

 

Interviewer: Welches kleine Detail hat für dich im Wettbewerb den Unterschied ausgemacht oder kann ihn ausmachen?

 

Samir:

Hier muss ich noch mal meine Tochter erwähnen. Wenn ich meine Tochter sehe … Sie gibt mir mehr Energie, mehr Kraft, sie treibt mich an.

Wenn ich zu einem Wettbewerb komme und voller Adrenalin bin, bin ich gestresst oder zweifle an mir selbst – denn wer sagt, dass er keine Zweifel hat, sagt nicht die Wahrheit.

Das ist mir schon mehrfach passiert. Ich frage mich: „Wirst du es schaffen? Wird alles gut gehen?"

Wenn ich also bei einem Wettbewerb solche Zweifel habe, kontaktiere ich meine Tochter per Facetime. Und sie sagt: „Los, Papa, du schaffst das!“ Dann kann man ja nicht aufgeben. Man muss erfolgreich sein!

Und sie sagt das wirklich! „Los, Papa, los, Papa! Los, Frankreich!“

Sie liebt Sport, also feuert sie mich an und gibt mir die nötige Energie.

Wenn ich sie mitnehme und sie ein Poster von mir sieht, sagt sie: „Das ist Papa, das ist Papa, das ist Papa!“ Es gibt kein besseres Gefühl.

Und wenn sie sagt: „Los, Papa, du schaffst das! Was soll das heißen, du bist müde?“ Du hast deinen Wettbewerb und du bist müde? Nein, nein, nein. Deine Tochter steht direkt hinter dir und zählt auf dich. Los, Papa! Selbst wenn ich sterben würde, würde ich alles geben. Es gibt keine andere Option. Auf keinen Fall.

 

Interviewer: Wie entspannst du dich vor einem Wettkampf?

 

Samir:

Ich schaue meistens einen Film an. Das beruhigt mich.

Wobei ich bei einem Wettkampf auch nicht allzu entspannt sein möchte, denn um alles geben zu können, brauche ich jede Menge Adrenalin und Testosteron.

Ein paar Stunden vor dem Wettkampf entspanne ich mich, aber eine halbe Stunde oder eine Stunde vorher bin ich wach. Dann ist das Relaxen vorbei. Dann ist es an der Zeit, richtig loszulegen.

 

Interviewer: Was ist der beste Rat, den du je bekommen hast?

 

Samir:

Der beste Rat? Ähm. Da gibt es viele.

Ich glaube, meine Eltern haben mir den besten Rat gegeben: Tue das, was du liebst. Alles andere spielt keine Rolle.

Das ist der beste Rat, denn er sagt alles. Er sagt nichts und alles zugleich.

 

Tue das, was du liebst. Alles andere spielt keine Rolle. Zwinge dich nicht dazu, etwas zu tun, das du hasst. Aber kämpfe. Damit du etwas tun kannst, das du liebst.

Darin wirst du auch viel besser sein. Das weiß jeder. Es ist eine total einfache Aussage, aber sie ergibt Sinn und ist wahr.

Tue das, was du liebst. Das habe ich immer im Hinterkopf.

 

Interviewer: Bist du abergläubisch? Hast du einen Glücksbringer?

 

Samir:

Haha.

Nein, ich habe keinen Glücksbringer. Ich bin nicht besonders abergläubisch.

Aber ich habe meinen Glauben. Ich glaube an Schicksal. Wenn etwas passieren soll, passiert es.

Die Angst bewahrt dich nicht vor der Gefahr, wie man so schön sagt. Natürlich habe ich auch manchmal Angst, aber ich bin nicht abergläubisch. Ich habe keine Angst davor, ein bestimmtes Fenster oder eine Tür zu berühren. So bin ich nicht. Ich handle und dann sehe ich, was dabei herauskommt.

 

Interviewer: Was ist dein letzter Gedanke kurz vor einem Auftritt?

 

Samir:

Mein letzter Gedanke? Ich denke an die Menschen, die mir nahestehen, an alle, die mir geholfen haben, dahin zu kommen, wo ich heute bin.

Das sind viele Menschen. Da ist meine Familie, da sind die Menschen, die ich liebe, meine Trainer, meine Partner. Alle, die mir dabei geholfen haben, zu diesem Punkt zu gelangen.

Ich denke an sie, weil es alleine nicht möglich wäre.

Jeder, der sagt, er brauche niemanden, lügt. Wir alle brauchen jemanden.

In solchen Momenten denke ich, dass Siege nicht für einen alleine sind.

 

Interviewer: Kommen wir zu einem anderen Thema …

 

Samir:

Na los!

 

Interviewer: Was ist dein „guilty pleasure“?

 

Samir:

Hören Kinder zu? Dann muss ich vorsichtig sein.

Mein „guilty pleasure“? Ich würde sagen, Essen.

Ja, ich bin ein echter Foodie. Vielleicht sogar … Ich sage dir die Wahrheit! Es sind Süßigkeiten. Ich liebe Süßigkeiten.

Ich bin wie ein Kind. Ich bin zwar älter geworden, aber nicht erwachsener. Ich spiele sogar wie ein Kind. Ich esse Süßes wie ein Kind.

Ich erzähle dir eine Geschichte. Mal gucken, ob du sie rausschneidest.

Mein Nachbar hat einen kleinen Sohn. Er ist 11 oder 12. Wenn wir dort zum Abendessen eingeladen sind, unterhalten wir uns natürlich mit den Erwachsenen, aber irgendwann verschwinde ich. Ich bin dann im Kinderzimmer und spiele mit den Kindern.

Der Junge hat einmal gesagt: „Samir ist kein Erwachsener, er ist Kind, so wie wir.“ Haha.

Du verstehst, was ich meine. Das ist der kleine „Samir“ in meinem Kopf. Ich glaube, ich bin immer noch wie ein Kind.

Und ich will auch nicht erwachsen werden.

Ich mag meine kindliche Seite, denn sie verschafft mir eine gute Lebenseinstellung. Ich habe Spaß.

Womit ich wieder bei dem bin, worüber ich vorhin gesprochen habe: Ich tue, was ich sage, ich tue, was ich liebe. So ist es.

Meine Tochter oder ich – wer von uns beiden ist reifer? Ich glaube, sie. Ich glaube, meine Tochter ist erwachsener als ich. So. Aber ich finde das toll.

 

Interviewer: Die letzte Frage: Wie sieht ein perfekter Tag für dich aus, wenn kein Wettkampf stattfindet?

 

Samir:

Ein perfekter Tag? Mit meiner Tochter zusammen sein, einen guten Film sehen, spazieren gehen und etwas Leckeres essen. Wenn ich vom Training nach Hause komme. Das ist es.

Mein Kind. Und nichts geht über einen guten Film und eine leckere Mahlzeit. Es geht immer um meine Familie.

 

- ENDE -

KEN BILLES

  • Geboren
    6 August 1980
  • Heimat
    Frankreich
  • Beruf
    Assistant Chief Designer
Ken Billes, Designer bei Toyota, lässt sich bei der Umsetzung seiner Vision nicht von Designkonventionen einschränken. Er sieht Autos als Vektoren, die es uns ermöglichen, gemeinsam neue Dinge zu entdecken.

Interviewer: Warum wolltest du Autodesigner werden? Welcher Antrieb war dabei entscheidend?

 

 

Ken:

Das ist eine sehr gute Frage. Und meine erste Reaktion ist: ja, warum eigentlich?

 

Als Kind bin ich immer gern gereist, aber ich bin mir nicht sicher, ob das der einzige Grund ist, warum ich Autodesigner werden wollte. Mein Antrieb war eher, was daraus resultiert: Man entdeckt neue Dinge. Ich glaube, das ist es, was ich jeden Tag genieße: das Entdecken.

 

Mithilfe eines Autos können die Menschen ebenfalls auf Entdeckungsreise gehen. Es dient der Kommunikation und Vernetzung. Für mich ist ein Auto nicht nur ein Objekt, sondern ein Auslöser oder ein Vektor, durch den Menschen zusammenkommen, kommunizieren und gemeinsam Dinge entdecken können. Ich glaube, deshalb wollte ich Autodesigner werden.

 

Interviewer: Was hast du selbst auf diesem Weg entdeckt?

 

Ken:

Ich weiß nicht, ob das eine gute Antwort ist, aber als ich anfing, entdeckte ich, dass ich die Welt immer als etwas sehr Lineares und Feststehendes gesehen hatte, aber in Wirklichkeit ist sie chaotisch und nichts ist ohne Ziel.

 

Man setzt sich selbst Ziele und auch das Unternehmen hat bestimmte Vorgaben, aber gemeinsam bewegt man etwas. Nichts ist endgültig oder geradlinig. Und das finde ich interessant. Das war eine meiner größten Entdeckungen als Autodesigner.

 

Interviewer: Wow. Okay. Das finde ich auch interessant. Wie fühlt es sich an, an Autos zu arbeiten, die von Millionen von Menschen gefahren werden?

 

Ken:

Das bedeutet eine Menge Stress und Druck. Wenn einem ein Produkt, das man herstellt, selbst nicht gefällt, ist das schwierig, denn man sieht es hinterher überall.

 

Die Leute, die ein Auto kaufen, schätzen ein bestimmtes Merkmal an ihm und wollen dieses Gefühl für einen längeren Zeitraum behalten. Es geht also nicht nur um den Moment der Kaufentscheidung. Man muss langfristig denken. Und das ist schwierig. Wie entwickelt man ein Produkt, das so angenommen wird, dass es länger genutzt werden kann und gleichzeitig gut für die Umwelt ist?

 

Das bedeutet nicht, dass etwas langweilig aussehen muss, aber man muss diese Frage global betrachten. Es geht nicht nur um das Objekt selbst, sondern auch um die Lebensweise, die damit einhergeht. Wir müssen handeln und uns in die Wünsche oder das Leben des Kunden hineinversetzen, was eigentlich ganz interessant ist.

 

Interviewer: In Ordnung. Du hast von der langen Reise eines Autos gesprochen, aber der Kauf eines Autos ist eine emotionale Entscheidung. Was überzeugt die Käufer?

 

Ken:

Es ist das Aussehen. Aber auch der Geist oder die Atmosphäre eines Produkts.

 

Manchmal hat man ein bestimmtes Gefühl, wenn man ein Produkt ansieht. Und empfängt eine klare Botschaft. Man kann sich an ein Gespräch erinnern, vielleicht mit einem starken Kontext und einem schwachen Kontext. Mit einem Auto hat man weniger als eine Minute Zeit, um die Botschaft an den Kunden zu vermitteln. Das macht es so interessant, denn es kann eine klare Botschaft geben, aber auch weitere Botschaften, die man erst im Laufe der Zeit entdeckt.

 

Interviewer: Das ist eine interessante Idee. Als Autodesigner kennst du sicher Autos, die etwas oberflächlich sind und bei denen es nicht so viele Facetten zu entdecken gibt. Bei denen nur das Nötigste getan wurde. Aber es gibt bestimmt auch andere Autos.

 

Ken:

In gewisser Weise haben sie alle eine Geschichte, wie Filme.

 

Ich mag es, wenn man bei einem Film die Haupthandlung und dann die Nebenhandlungen sieht. Bei Designs ist das auch so. Jedes Auto hat eine Geschichte, eine Botschaft. Manche Botschaften sind komplexer, manche klarer, aber sie sind alle auf einen bestimmten Kundentyp ausgerichtet.

 

Wenn die Zielgruppe Familien sind, muss das Auto zum Beispiel nicht hochglanzpoliert sein. Eine starke Persönlichkeit dagegen, die sich selbst verwirklichen will, braucht ein Auto, das ihre Persönlichkeit und ihre Wünsche zum Ausdruck bringt.

 

Also nicht so sehr ein Statussymbol, sondern eher ein Ausdrucksmittel.

 

Interviewer: Wie sieht dein Alltag als Autodesigner aus?

 

Ken:

Ich komme zur Arbeit und schaue mir erst einmal an, was es Neues in der Welt gibt, oder ich diskutiere mit meinen Nachbarn oder Kollegen, um herauszufinden, wo es hingeht, und um die Welt ein wenig neu zu denken.

 

Dann beginne ich mit dem eigentlichen Arbeitsprozess. Wir denken an einen Kunden, wir projizieren uns selbst und den Kunden, und dann fragen wir uns, was zu tun ist. Ist es wirklich das, was der Kunde will, oder geht das von uns aus?

 

Und so erkunden wir die Lage am Morgen, treten mit allen in Kontakt, tauschen uns aus und bekommen das Feedback und die persönlichen Meinungen von allen Beteiligten. Es ist sehr wichtig, im Team zu arbeiten, um alle Meinungen einzuholen, denn man neigt dazu, betriebsblind zu werden.

 

Warum ist es so wichtig, sich mit anderen auszutauschen?

 

Interviewer: Sich zu informieren, was in der Welt vor sich geht, ist eine interessante Art, den Tag zu beginnen. Man entwirft etwas für die Welt, man entwirft etwas für eine bestimmte Zielgruppe, aber es kann manchmal schwierig sein, sich in ihre Lage zu versetzen. Denn einerseits entwirft man etwas für eine große Gruppe an Personen, aber es gibt viele verschiedene Arten von Menschen darin, richtig?

 

Man sollte also in der Lage sein, sich in diese Menschen hineinzuversetzen.

 

Ken:

Ja, wir müssen uns in ihre Lage versetzen, aber wir müssen uns auch in die Lage der Menschen von morgen versetzen, was nicht einfach ist. Besonders in Europa. Wir leben in einer chaotischen Zeit. Als Designer denke ich, dass wir immer noch in einem Traum aus den achtziger Jahren leben, aber wir müssen eine neue Vision der Zukunft schaffen.

 

Für diese Vision müssen wir uns mit den Menschen austauschen. Wir können eine neue Vision und eine neue Richtung für etwas vorschlagen oder auch nur eine Weiterentwicklung der jetzigen, aber ich denke, dieser Austausch ist superwichtig. Egal, ob es nur am Morgen ist oder mit Blick auf die Zukunft.

 

Das ist enorm wichtig. Eine Routine trägt dazu bei, die neue Vision, die wir alle anstreben, zu verwirklichen. Ja. Die Recherche ist also in gewisser Weise Bestandteil der Arbeit. Man recherchiert nicht nur für sich selbst, sondern auch mit anderen.

 

Das ist wahrscheinlich auch einer der wichtigsten Aspekte für die Arbeit eines Designers.

 

Interviewer: Was sind einige deiner Karriere-Highlights?

 

Ken:

Ich hatte viel Glück. Ich könnte viele auswählen. Vielleicht sollte ich eine Liste erstellen. Ich weiß nicht, ob es das ist, was du dir vorstellst, aber ich hatte die Gelegenheit, an einigen Autos wie dem FT-CH zu arbeiten, die bereits mit einem umweltfreundlichen Konzept ausgestattet sind. Ich habe auch an der ersten Generation des C-HR mitgearbeitet.

 

Ich war an der Entwicklung dieser Produktion beteiligt. Ich habe am Eagle Cross und vor Kurzem an der nächsten Generation des C-HR gearbeitet. Das war ein cooles Highlight. Auch die Arbeit, der Arbeitsprozess oder die Arbeitsatmosphäre im Studio sind Highlights.

 

Ich arbeite seit 15 Jahren für Toyota, und ich denke, dass es uns dank unserer Bemühungen, die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie wir uns austauschen oder wie wir unseren Arbeitsplatz sehen, zu ändern, gelungen ist, eine neue Identität oder eine stärkere Botschaft, ein stärkeres Produkt im Bereich Design für Toyota zu schaffen. Jetzt haben wir also etwas, das ich gerne als kreatives Zentrum am Unity Square bezeichne. Alle drei Monate kommen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu MC-Konferenzen in unser Studio.

Manchmal geht es um kreative Themen, manchmal um technische. Und wir bilden uns weiter. Wir pflegen einen regen Austausch mit anderen Bereichen, um Ideen aufzugreifen und uns mit anderen Menschen zu beraten, um herauszufinden, ob das, was wir tun, was wir denken, wertvoll ist oder nicht. Das ist eine wichtige Veränderung und eine der Stärken unseres Studios.

 

Interviewer: Das ist eine gute Antwort. Damit hast du schon einige meiner Fragen mitbeantwortet. Könntest du uns sagen, was dich inspiriert oder dich antreibt?

 

Ken:

Bei Toyota habe ich die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, sehr simple Ideen durchzusetzen, aber gleichzeitig wird das sehr geschätzt.

Man muss versuchen, seine Ideen umzusetzen, aber natürlich auf eine nette Art und Weise. Man muss dabei nicht aggressiv vorgehen. Aber sie mögen es, wenn man von einer Sache überzeugt ist und sich dafür einsetzt und versucht, Wege zu finden, eine Idee in die Realität umzusetzen. Dann wissen sie, dass die Idee wertvoll ist.

Und diese Art von Unternehmensphilosophie finde ich schön und interessant.

 

Interviewer: Es geht auch darum, Grenzen zu überschreiten, nicht wahr? Denn man muss eine Idee durchsetzen, und es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie man das tun kann, auch wenn man sie eine Weile ruhen lässt und dann wieder auf sie zurückkommt.

 

Ken:

Das hilft uns dabei, Ideen noch weiterzuentwickeln. Die erste Idee ist normalerweise nicht umsetzbar, also gehen wir darüber hinaus und treiben die Idee weiter voran. Meistens merken wir erst am Ende, wie wertvoll sie ist.

 

Interviewer: Wie unterscheidet sich Toyota von anderen Automobilmarken? Wodurch zeichnet sich Toyota aus?

 

Ken:

Ich glaube, die Stärke des Unternehmens liegt darin, dass es versucht, den Kunden und den Menschen innerhalb des Unternehmens zuzuhören. Sie verstehen, dass die Menschen im Unternehmen auch Kunden sind, und das ist ziemlich interessant.

 

Die meisten Unternehmen achten auf die Kunden, aber vielleicht weniger auf die Menschen, die dort arbeiten.

 

Interviewer: Das ist ein interessanter Punkt. Gab es einen schwierigen Moment in deiner Karriere, zum Beispiel beim Design eines Autos?

 

Ken:

Es ist ein bisschen so, wie ich schon sagte. Manchmal versteht niemand deine Idee wirklich oder sieht ihren wahren Wert. Dann muss man versuchen, dieselbe Geschichte anders zu erzählen, sie anders zu präsentieren oder sie anzupassen.

 

Das bedeutet es vielleicht, Grenzen zu überschreiten. Die Idee, nicht locker zu lassen und zu versuchen, andere von dem zu überzeugen, was man für richtig hält. Das bedeutet nicht, dass man stur ist und nicht zuhören will. Manchmal verstehen andere nicht auf den ersten Blick, worauf man hinauswill. Es kommt oft vor, dass man etwas vorstellt und es wird abgelehnt, also wählt man eine andere Art der Präsentation.

 

Und auf einmal finden es alle toll, weil sie es jetzt verstehen. Und das ist so interessant: wie man die gleiche Geschichte auf andere Art erzählen kann.

 

Interviewer: Fantastisch. Man muss also an seine Idee glauben?

 

Ken:

Genau, aber manchmal muss man auch loslassen können.

Als Creative Director sehe ich das natürlich sehr oft. Man hat eine gute Idee, aber diese Idee kann auf viele verschiedene Arten umgesetzt werden. Man sollte sich also auf jeden Fall für die Idee begeistern, aber nicht unbedingt für die Umsetzung. Denn die kann ganz unterschiedlich aussehen.

 

Interviewer: Was ist die wichtigste Lektion, die du in deiner Karriere bisher gelernt hast?

 

Ken:

Ich glaube, die Vorstellung, dass es keine falschen Antworten gibt. Ideen werden oft abgelehnt, aber nicht, weil sie falsch sind. Manchmal passen sie einfach nicht oder der Zeitpunkt ist nicht der richtige. Und manchmal werden sie im Rahmen anderer Projekte umgesetzt. Aber mir gefällt die Idee, dass es keine falschen Antworten gibt. Manchmal liegt es einfach an der Ausführung oder daran, dass noch etwas fehlt.

Und mir gefällt der Gedanke, dass man immer versucht, das Beste herauszuholen. Manchmal ist es nur eine Frage der Relation. Manchmal ist es eine Frage des Ziels. Manchmal geht es um die Umsetzung. Vielleicht muss man das Produkt präzisieren oder intensivieren und weiterentwickeln. Manchmal muss man vielleicht einfach etwas verrückter sein bei dem, was man tut.

 

Die Details sind wichtig. Selbst wenn niemand sie am Ende sieht. Das macht ein gutes Produkt aus.

 

Interviewer: Fantastisch. Was bedeutet Erfolg in deinem Bereich?

 

Ken:

Die einfache Antwort: wenn eine Zeichnung ausgewählt wird, denn darin steckt viel Arbeit. Sie wird ausgewählt, weil man den Menschen zuhört und sie mit ins Boot holt.

 

Der Erfolg hängt nicht so sehr damit zusammen, dass man ausgewählt wird, sondern damit, dass man sein gesamtes Team, alle Leute, mit denen man zusammenarbeitet, dazu bringt, einen zu verstehen und mit einem darin übereinzustimmen, was man für richtig hält. Das ist für mich der größte Erfolg. Es ist nicht notwendig, dass das Produkt veröffentlicht wird. Es geht darum, dass alle mitziehen und deiner Vision vertrauen.

 

Es geht um Teamwork. Alleine könnte ich meine Projekte nicht realisieren.

 

Ich arbeite eng mit dem Team zusammen, und ich glaube, dass es deshalb so gut funktioniert.

 

Interviewer: Hast du einen Rat für die Leser dieses Interviews, wie sie ihre Bestleistung erzielen können?

 

Ken:

Mein Rat wäre, niemals aufzugeben und nicht stur zu sein. Das sind zwei unterschiedliche Dinge.

 

Interviewer: Da geht es auch ums Zuhören, richtig? Es ist einfacher, an der einen Idee festzuhalten, die du für die beste hältst, wenn du weiter zuhörst und das Feedback berücksichtigst?

Dann weißt du, was wirklich zählt. Genau. Und so kann man Grenzen überschreiten – indem man niemals aufgibt.

Es kann sinnvoll sein, über die Inspiration rund um das Fahrzeug zu sprechen und darüber, welche Personen angesprochen werden sollen.

 

Ken:

Es hat etwas mit Genderfluidität zu tun. Ich erzähle dir eine Geschichte über das Projekt und warum das Design so ist, wie es ist. Als wir das Projekt in Angriff nahmen, fingen wir nicht mit einem leeren Blatt an.

 

Wir hatten bereits ein erfolgreiches Auto auf dem Markt, nämlich die erste Generation des C-HR. Die erste Frage war also, wie wir die guten Produkteigenschaften erhalten und gleichzeitig ein neues Produkt daraus machen können. Das war schwierig. Es gab eine Art Vermächtnis. Und da sich die Welt verändert, verändern sich auch die Ansprüche der Menschen.

 

Wir wollten also etwas machen, das, ich will nicht sagen inklusiver oder universeller ist, aber für alle in Ordnung, nicht polarisierend. Auf der Marketingseite funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Wir machten eine Geschäftsreise nach Berlin und Stockholm, um verschiedene Menschen, verschiedene Gender und auch verschiedene Gemeinschaften zu entdecken, vor allem die LGBTQIA+-Gemeinschaft.

Wir stellten fest, dass es dieser Gemeinschaft egal ist, was die Leute über sie denken. Sie lieben es, etwas zu erschaffen, und sie sind ein bisschen wie Designer. Sie machen das, was sie lieben. Und es spielt keine Rolle, ob es anderen Menschen gefällt. Das ist nicht ihr Ziel. Sie suchen nach etwas, in dem sie sich wirklich ausdrücken und ganz sie selbst sein können.

 

Aber sie sind auch sehr sanft. Überhaupt nicht aggressiv. Das ist Teil der Feinfühligkeit ihrer Persönlichkeit. Das ist es, was das neue Auto ausmacht. Es ist scharf und energisch, aber auf der anderen Seite auch sehr weich, fließend und sanft. Es ist gleichzeitig aggressiv und zart.

 

Wahrscheinlich ist das der Grund, warum dieser Vorschlag ausgewählt wurde. Er hatte einen starken Rückhalt. Das Auto hat alles, was der vorherige C-HR hatte, aber auch eine neue Philosophie. Wenn man es sieht, spürt man die urbane Aggressivität. Aber auf der anderen Seite ist es sehr elegant und geschmeidig und kann sich problemlos durch die Stadt bewegen, ohne jemanden zu stören.

 

Man erkennt es aber trotzdem sofort, sieht es und nimmt es wahr. Das ist ein besonderer Aspekt des Wagens, der eigentlich sehr schwer zu finden war. Das ist die Geschichte des C-HR.

 

Bei diesem Projekt hat jede Meinung gezählt. Das war ein wichtiger Aspekt. Jede Persönlichkeit. Jedes Teammitglied bei diesem Projekt hat gezählt.

 

Jeder konnte etwas beitragen. Es ist ein Teamprodukt. Jede Meinung zählte, und wir bemühten uns, die Ideen zu fördern, die zu diesem Zeitpunkt von Toyota nicht akzeptiert wurden.

 

Interviewer: Hast du ein Motto, nach dem du lebst oder das dich motiviert?

 

Ken:

Das habe ich tatsächlich. Ich glaube, es war ein indischer Philosoph, der einmal in einem Dokumentarfilm sagte: „Die Welt ist so, wie man sie sich vorstellt.“

 

Das ist vielleicht leicht gesagt, aber ich glaube, die Welt ist wirklich so, wie man sie sich vorstellt. Wenn man so denkt, wird es zu dem, was es wirklich ist. Das heißt, man kann fast jeder sein, der man sein möchte. Das bedeutet aber auch, dass die Welt so beschaffen ist, wie man sie sich vorstellt, sie ist nicht statisch.

 

Das finde ich interessant. Das habe ich immer im Hinterkopf.

 

Interviewer: Welche Pläne hast du für die Zukunft?

 

Ken:

Urlaub. Ich glaube, ich habe das schon erwähnt. Mein nächstes großes Ziel ist es, etwas zu schaffen, bei dem ich das Gefühl habe, dass ich meinen Kindern etwas hinterlassen werde.

 

Alle sprechen von Ressourcenknappheit, globaler Erwärmung und so weiter. Das ist ein Problem. Als Designer möchte ich eine Lösung dafür finden. Und für mich ist diese Lösung mit der Idee verbunden, eine neue Vorstellung davon zu entwickeln, wie die Zukunft aussehen könnte.

 

Diese Vorstellung muss die Menschen zusammenbringen, damit sie sie akzeptieren. Es gibt bereits tonnenweise Produkte, die den Planeten retten könnten, aber niemand will sie, also funktionieren sie nicht. Wir müssen etwas finden, das die Menschen haben wollen, eine neue Vision, an der sie teilhaben wollen. Daran arbeite ich häufig mit meinen Praktikanten. Das ist mir wirklich sehr wichtig.

 

Es ist eine Veränderung des Denkens. Wir leben immer noch in einer Welt, die in den Köpfen der Menschen in den achtziger oder neunziger Jahren entstanden ist, und diese Welt ist in Ordnung. Die Welt der Maschinen ist eine Welt wie in Star Wars. Aber sie hat sich verändert. Unsere Zukunft wird nicht so aussehen.

 

Es wird Zeit brauchen, aber wir müssen etwas finden und wir müssen es versuchen. Und das reicht wahrscheinlich nicht. Also müssen wir uns mehr Mühe geben. Und wenn etwas nicht funktioniert, müssen wir etwas anderes ausprobieren. Wir müssen es wieder und wieder versuchen, bis wir eine Antwort finden.

 

Interviewer: Welche Schritte zählen in deinem Leben als Autodesigner am meisten?

 

Ken:

Für mich zählt jedes Learning und jede Entdeckung. Ich liebe es, Dinge zu entdecken, und ich glaube, vielleicht, weil ich langsam alt werde, dass man nicht alles auf einmal machen muss.

Ich würde sagen, jeder Schritt zählt.

 

- ENDE -

KAZUKI NAKAJIMA

  • Geboren
    11 Januar 1985
  • Heimat
    Japan
  • Beruf
    Stellvertretender Vorsitzender bei Toyota Gazoo Racing Europe
Kazuki Nakajima überschreitet Grenzen, um erneut das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen. Er glaubt fest an das Prinzip von „naseba naru“ – was man investiert, gewinnt man zurück.

Interviewer: Für Rennfahrer ist der Antrieb in doppelter Hinsicht entscheidend. Was hat dich zum Motorsport gebracht?

 

Kazuki:

Mein Vater war Rennfahrer. Das war der Hauptgrund, diesen Weg ebenfalls einzuschlagen. Als ich ein Kind war, fuhr er als Profi in der Formel 1. Der Motorsport war also immer schon Teil meines Lebens. Obwohl ich auch Baseball, Football und die meisten anderen Sportarten mag. Ich liebe den Wettbewerb. Im Motorsport nahm ich zum ersten Mal an richtigen Wettkämpfen teil.

 

Ich begann mit zehn Jahren meine Karriere auf der Kartbahn. Das ist jetzt fast 30 Jahre her. Es war eine lange Reise.

 

Interviewer: Wie fühlt es sich an, bei den 24 Stunden von Le Mans mitzufahren?

 

Kazuki:

Das lässt sich schwer in einem Satz beschreiben. Die 24 Stunden von Le Mans sind für die Motorsportwelt ein bisschen wie die Olympischen Spiele, denn das Rennen findet nur einmal im Jahr statt.

 

Normalerweise konzentriert man sich auf eine Meisterschaft, doch Le Mans ist ein ganz besonderer Ort. Es ist ein Rennen, auf das wir einen besonderen Fokus legen. Die Meisterschaft zu gewinnen bedeutet einem natürlich viel, aber Le Mans zu gewinnen ist genauso wichtig. Sobald Le Mans vorbei ist, beginnen wir auch schon mit den Vorbereitungen für das nächste Jahr.

 

Der Aufwand ist viel größer als für jedes andere Rennen.

 

Interviewer: Würdest du sagen, dass du dabei Grenzen überschreitest?

 

Kazuki:

Dem würde ich zustimmen. Es ist das größte Ziel meiner Karriere. So viel ist sicher.

 

Interviewer: Okay. Wie sieht dein Alltag als Rennfahrer aus?

 

Kazuki:

 

Wenn wir nicht fahren, besprechen wir alle wichtigen Details und überlegen, was wir für das nächste Rennen vorbereiten müssen. Es gibt viele Meetings mit den Ingenieuren, in denen wir die Daten auswerten. Wir trainieren natürlich auch viel, sowohl physisch als auch mental. Wir bereiten uns eigentlich ständig auf das nächste Rennen vor.

Wir arbeiten kontinuierlich daran, Dinge zu verbessern, das Auto und das Fahrverhalten zu verstehen und herauszufinden, wie wir schneller werden können. Wir versuchen, jedes kleine Detail ausfindig zu machen, das uns noch besser machen könnte. So sieht der Alltag als Rennfahrer aus.

 

Interviewer: Was sind denn die bisherigen Highlights deiner Karriere?

 

Kazuki:

Mein absolutes Karriere-Highlight ist mein erster Sieg der 24 Stunden von Le Mans 2018.

 

Ja, das war einfach der beste Moment meiner Karriere. Der Sieg bei der Super Formula Championship in Japan und die Rennen in der Formel 1 waren auch etwas Besonderes, aber der Sieg in Le Mans im siebten Anlauf war außergewöhnlich. Es hat lange gedauert, dieses Ziel zu erreichen. Es gab viele schwierige Momente. Diese Herausforderungen zu bewältigen und so etwas Großes zu erreichen, ist definitiv das Highlight meiner Karriere.

 

Interviewer: Wenn du einen entscheidenden Faktor für diesen Sieg nennen müsstest, welcher wäre das?

 

Kazuki:

 

Ich würde sagen, jede Erfahrung hat gezählt, die guten wie die schlechten, sogar die Fehler. Ich glaube, jede Erfahrung war ein sinnvoller Schritt. Es ging darum, sich anzustrengen, um sich zu verbessern. Deswegen zählt jede Anstrengung. Dann würde ich sagen, jeder Moment zählt und meine damit jeden Schritt. Bei den 24 Stunden von Le Mans ist jeder Moment wichtig. Wenn man einen Schritt verpasst, ist es aus. Dann ist das Rennen gelaufen. Das gilt schon für die Vorbereitung.

 

Interviewer: Es zählt also jede Sekunde?

 

Kazuki:

Ich würde sagen, dass jede Entscheidung zählt, vielleicht weil es im Rennsport im Wesentlichen darum geht, die Chancen und Risiken abzuwägen, die man eingehen kann. Also vielleicht: Jede Entscheidung in jedem Moment zählt.

 

Interviewer: Was war dein schwierigster Moment?

 

Kazuki:

Ich hatte in meiner Karriere schon einige schwierige Momente, aber der größte und wahrscheinlich bekannteste war Le Mans 2016. Wir lagen bis fünf Minuten vor der Zielflagge in Führung und hatten einen komfortablen Vorsprung. Wir bereiteten uns auf unseren ersten Sieg vor, bis es plötzlich zu einem technischen Fehler kam, und wir verloren das Rennen. Das war der schwierigste Moment, wirklich tragisch. Aber wie ich schon sagte, geht es darum, aus Erfahrungen zu lernen. Es war eine Art Wendepunkt für unser Team, der uns auf unseren ersten Sieg zwei Jahre später vorbereitet hat.

 

Interviewer: Wie konntest du diesen Moment hinter dir lassen? Wie schaffst du es, weiter zu trainieren und deine großen Visionen und Ziele nicht aufzugeben?

 

Kazuki:

Das Wichtigste ist, nicht aufzugeben. Das müssen wir immer im Herzen behalten, um Schwierigkeiten zu überwinden. Es ist wichtig, aus Erfahrungen zu lernen, aber auch zu versuchen, das Positive in schwierigen Situationen zu sehen. 2016 haben wir zwar verloren, aber wenn man sich das Rennen an sich anschaut, haben wir uns gut geschlagen.

Es gab keine Fehler auf unserer Seite. Alles lief reibungslos. Zum Sieg fehlten uns nur ein bisschen Glück und ein zuverlässiges Auto. Als Team nahmen wir die positiven Eindrücke aus diesem Rennen mit, um unser Selbstvertrauen für das nächste Rennen zu stärken.

Und dieses Selbstvertrauen stärkte unsere Motivation und wir konnten die nächste Herausforderung angehen, ohne an Schwung zu verlieren. Das haben wir alle daraus mitgenommen. Dank Toyota konnten wir unser Programm weiter fortsetzen.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die unser Programm unterstützt haben. Ohne Unterstützung sind wir nichts. Das darf man nicht vergessen. Ich glaube, solange es die Gelegenheit gibt, haben wir eine Chance, erfolgreich zu sein. Das ist der Schlüssel – es immer wieder zu versuchen, immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen zu sein. Und das ist natürlich noch nicht alles. Man muss sich vorbereiten und aktiv daran arbeiten, sich zu verbessern.

 

Interviewer: Was bedeutet Erfolg für dich?

 

Kazuki:

In meiner gesamten Rennkarriere sind der Sieg in Le Mans und der Gewinn der Meisterschaft die besten Beispiele für Erfolg.

Aber in meiner jetzigen Rolle ist das anders. Erfolg hat eine größere Bedeutung. Es geht nicht nur ums Gewinnen, sondern auch um die Förderung junger Talente und das Bemühen, eine breitere Fangemeinde für den Motorsport zu gewinnen. Es geht darum, einen Weg zu finden, was der Motorsport für die Welt leisten kann. Dabei wollen wir nicht nur die Faszination des Sports vermitteln, sondern auch einen Beitrag zur Entwicklung des Autos oder neuer Technologien leisten.

Ich glaube, es gibt viele Möglichkeiten, wie der Motorsport unsere Zukunft verbessern kann. Und auch das wäre ein großer Erfolg für mich – den Motorsport in diese Richtung zu bewegen. Das ist nicht einfach, aber etwas, auf das ich mich sehr freue.

 

Interviewer: Okay, vielen Dank. Hast du einen Rat für die Leser dieses Interviews, wie sie ihre Bestleistung erzielen können? Und was bedeutet es für dich, Grenzen zu überwinden?

 

Kazuki:

Für mich geht es dabei um die eigene Erfahrung und darum, dass auch kleine Schritte zum Erfolg führen. Die Motivation besteht darin, weiter voranzukommen. Das ist unerlässlich. Dass man aus Erfahrungen und auch aus Fehlern lernt. Dass man Neues entdeckt. Das ist auf jeden Fall notwendig, um Grenzen zu überwinden. Sonst kommt man nicht voran.

 

Interviewer: Danke. Hast du ein Lebensmotto? Und hilft es dir dabei, vital und motiviert zu bleiben?

 

Kazuki:

Ja, es ist ein kurzer japanischer Satz: Naseba naru. Es ist schwer, die richtigen Worte für eine Übersetzung zu finden, aber es bedeutet in etwa: Wenn man etwas investiert, gewinnt man etwas zurück. Wenn man es gar nicht erst versucht, gibt es auch keine Ergebnisse. Japanisch ist eine sehr kompakte Sprache. Diesen Satz behalte ich immer im Kopf, auch wenn ich manchmal Fehler mache.

 

Kazuki:

Das Wichtigste ist doch, dass man aus diesen Fehlern lernt. Ohne diese Fähigkeit wird eine Karriere nicht von Dauer sein. Das gilt für den Motorsport, aber auch für unser alltägliches Leben.

 

Interviewer: Perfekt. Welche Pläne hast du für die Zukunft?

 

Kazuki:

Ich glaube, ich habe es bereits angesprochen. Da ich nicht mehr nur Rennfahrer, sondern auch Teil des Managements des Rennteams bin, ist eines meiner Ziele nach wie vor, Rennen und die Meisterschaft zu gewinnen. So viel ist sicher. Ein weiteres Ziel ist die Förderung junger Talente und der Versuch, mehr junge Fahrer zu gewinnen, insbesondere für Toyota. Den Wert des Motorsports insgesamt zu steigern.

Nicht nur, um die Fans zu begeistern, sondern auch, weil ich glaube, dass es so viele Dinge gibt, die wir mit neuen Technologien fördern und entwickeln können. Und da die Klimaneutralität ein wichtiges Thema ist, nicht nur in der Automobilindustrie, denke ich, dass der Motorsport durch die Entwicklung neuer Technologien einen wertvollen Beitrag für die Zukunft unserer Welt leisten kann.

Ich könnte noch viel mehr dazu sagen. Das Ziel ist vielleicht ambitioniert und liegt noch in weiter Ferne, aber letztendlich ist das nun meine Herausforderung.

 

Interviewer: Wir kommen zum Ende des Interviews. Die letzte Frage: Welche drei wichtigen Schritte hast du gemacht, um Grenzen zu überwinden?

 

Kazuki:

 

Ich würde sagen, jeder Versuch zählt, jeder Fehler zählt. Aber auch jede Anstrengung zählt.

Das liegt daran, dass wir alle verstehen, dass jeder sein Bestes gibt, um seine Arbeit innerhalb des Teams zu erledigen. Und man braucht dieses Team. Es geht nicht nur um den Fahrer. Als Fahrer wissen wir, dass unsere Ingenieure, unsere Mechaniker, sogar unsere Truckies, also alle im Team, ihr Bestes geben. Diese Energie braucht man, um als Team voranzukommen. Das ist die Summe dessen, was uns Grenzen überschreiten lässt.

 

- ENDE -